Die Geschichte der Heilkräuter.

Paracelsus Apotheke Heilkräuter

Fachkommentar: Mag. Pharm. Adelheid Tazreiter

Heilkräuter boomen. Die Kraft der Pflanzen wird seit einigen Jahren neu entdeckt, die Natur ist wieder „in“ geworden. Sowohl durch Überlieferungen aus dem Bereich der Volksheilkunde als auch durch die immer bessere Erforschung von Pflanzeninhaltsstoffen, ist die Anzahl verwendeter Heilkräuter gestiegen. Heutzutage werden weltweit etwa 50.000 Arten arzneilich genutzt – entweder traditionell (brauchtümlich) oder in der modernen Medizin.

Phytopharmaka (pflanzliche Arznei-mittel), Teemischungen, Homöopathie, Aromatherapie, TCM (traditionelle chinesische Medizin), Bachblüten, TEM (traditionelle europäische Medizin), Hildegard-Medizin, Natur-Kosmetik und viele weitere Präparate pflanzlichen Ursprungs werden immer beliebter. Obwohl die Wirkung nach wissenschaftlichen Kriterien in vielen Fällen nicht bewiesen ist. Doch etwa 60% der Bevölkerung favorisieren solche „alternative Heilmittel“. Die Schulmedizin ist ihnen irgendwie suspekt, mögliche Neben- und Wechselwirkungen von Medikamenten schrecken ab. Natürliche und pflanzliche Mittel gelten als „sanfter und harmloser“, sie entsprechen viel eher der modernen ganzheitlichen Sicht auf den Menschen.
Viele, deren Beschwerden nicht allzu gravierend sind und die im Einklang mit der Natur stehen wollen, möchten es „gern einmal mit etwas Pflanzlichem probieren“ – und finden tatsächlich ihr „Mittel der Wahl“. Andere müssen die Grenzen der alternativen Heilmethoden erkennen und doch zusätzlich Unterstützung in der Schulmedizin suchen.

Eines ist sicher

Pflanzliche Heilmittel sind wirksam, teilweise stark wirksam, manche in höheren Dosen sogar giftig. Und sie heilen – allerdings nicht immer und alles. Und auch sie haben Neben- und Wechselwirkungen. Denn alles, was eine Heilwirkung an einem erkrankten Organ hervorruft, kann an anderen gesunden Stellen im Körper unerwünschte Wirkungen haben – diesbezüglich gibt es keinen Unterschied zu schulmedizinischen Arzneimitteln.Doch die Inhaltsstoffe der Pflanzen bestehen oft aus einigen hundert chemisch unterschiedlichen Substanzen, die manchmal im Zusammenspiel, also nur in dieser Kombination eine spezielle Wirkung hervorrufen. Und die Anwendungsmöglichkeiten sind bei Heilpflanzen-Zubereitungen vielfältig, die Dosierungsvariationen größer. Es gibt diverse Methoden und eine Menge unterschiedlicher Produkte, die jedem einzelnen ermöglichen, die Heilwirkung der Pflanzen auf seine Weise zu nutzen, speziell auch für Kinder. Und all das macht die alternativen Heilmethoden so beliebt. Aufgrund ihrer verschiedenartigen Wirkungsweise im Körper ist es allerdings essentiell, sich mit den angewendeten Arzneipflanzen gut auszukennen.

Um die Bedeutung von pflanzlichen Heilwirkungen für uns Menschen zu erfassen, möchten wir Ihnen zunächst einen kleinen historischen Überblick geben:

Seit Anbeginn der Menschheit waren wir darauf angewiesen uns von Pflanzen und Tieren zu ernähren. Schon unsere Urahnen erkannten, dass gewisse Pflanzen neben todbringenden auch heilende Wirkungen haben. Sie verwendeten wässrige oder ölige Auszüge von Kräutern zur Behandlung Kranker.

„Unser“ Ötzi hatte vor 5300 Jahren Birkenporlinge dabei, die er wahrscheinlich als Heilmittel zur Wundheilung verwendete. Die ältesten Aufzeichnungen, die die Verwendung von Pflanzen für Heilzwecke beschreiben, stammen aus Mesopotamien ca. 3000 v. Chr.

Als Begründer der wissenschaftlichen Medizin gilt der Grieche Hippokrates von Kos (um 460-ca. 370 v. Chr.). Für ihn ist eine Krankheit als Ungleichgewicht zwischen Mensch und Umwelt zu verstehen. Mit der Therapie soll das Heilungsstreben der Natur unterstützt werden. Im „Corpus hippocratium“ findet man einige hundert Heilpflanzen beschrieben.

Zu den bedeutendsten Werken der Pflanzenheilkunde zählt „De Materia medica“ vom griechischen Arzt Pedanios Dioskurides (etwa 50 n. Chr.). In 5 Bänden werden ca. 800 Pflanzen „nach Gestalt und Wirkung“ beschrieben. Bis ins 16. Jhd. hinein war es das führende Werk der Heilkräuterkunde und auch später noch Grundlage für andere Autoren. Auch die moderne Arzneipflanzenforschung nimmt Bezug auf das Werk von Dioskurides, indem die von ihm beschriebenen Arzneipflanzen auf ihre damalige Verwendung gescreent und als Basis für neue Forschungen herangezogen werden.

Vom 8. bis zum 12. Jahrhundert befassten sich – auf Anweisung Karl des Großen (747-814) – hauptsächlich Klöster mit der Anpflanzung und Wirkung von Heilkräutern. Dort wurden Menschen und auch Tiere behandelt.

Die Äbtissin des Benediktinerklosters Rupertsberg in Bingen, Hildegard von Bingen (1098-1179), war eine berühmte Gelehrte ihrer Epoche. In ihren bedeutenden Werken (Liber simplicis medicinae und Causae et Curae) erörtert sie 230 wichtige Heilpflanzen. Ihr medizinisches Schaffen und die Anwendungsmöglichkeiten für Arzneipflanzen erleben heutzutage eine Art Wiedergeburt im Rahmen der „Hildegard Medizin“.

Zu den „Vätern der Botanik (Pflanzenkunde)“ wurden die im 16. Jhd. in Deutschland lebenden Botaniker Hieronymus Bock, Otto Brunfels und Leonhart Fuchs.

Ebenfalls im 16. Jhd. lebte der bedeutende  Arzt, Pharmazeut und Naturforscher Philippus Theophrastus Bombastus von Hohenheim, besser bekannt unter dem Namen Paracelsus. Er verfasste viele naturkundliche Schriften und empfahl die Anwendung von Heilpflanzen aus der Umgebung, aber auch andere Arzneimittel. Er gilt als Urvater der modernen Pharmazie. Besonders berühmt wurde sein Zitat „Nur die Dosis macht das Gift“.

Ab dem 19. Jhd. wurden Pflanzen im Rahmen der naturwissenschaftlichen Forschung genau analysiert und ihre Wirkstoffe isoliert. Handelte es sich bis dahin bei der Kräuterheilkunde um den Erfahrungsschatz vieler vorangegangener Generationen, wurden Wirkungen und Inhaltsstoffe nun genau unter die Lupe genommen und mit wissenschaftlichen Methoden überprüft.

Die beiden Geistlichen Sebastian Kneipp (1821 – 1898) und Johann Künzli (1857 – 1945) hatten einen großen Erfahrungsschatz über traditionell verwendete Heilkräuter und brachten die Therapie mit Arzneipflanzen zu neuer Blüte.

Der Arzt Dr. Rudolf Fritz Weiss (1895 – 1991) gründete den ersten Lehrstuhl für Phytotherapie (Therapie mit Heilpflanzen) und setzte damit die Anerkennung der therapeutischen Verwendung von Arzneipflanzen als eigenen wissenschaftlichen Zweig in Gang. Sein Lehrbuch der Phytotherapie gilt bis heute als ein Standardwerk der Pflanzenheilkunde.

Etliche wichtige Wirkstoffe von Medikamenten, die heutzutage in der Therapie von Patienten eingesetzt werden, haben ihren Ursprung in Heil- oder Giftpflanzen.

Ein paar berühmte Beispiele:

ASPIRIN®
die Rinde von Weiden enthält Salicin, das im Körper in die entzündungshemmende und schmerz- und fiebersenkende Salicylsäure umgewandelt wird. Daraus entwickelte die  Firma BAYER 1897 zum ersten Mal die Substanz Acetylsalicylsäure – den Wirkstoff des weltweit bekannten ASPIRIN®.

Morphin
(früher Morphium): ist ein Hauptwirkstoff des als Opium bezeichneten getrockneten Milchsaftes unreifer Samenkapseln des Schlafmohnes. Wirkung: stark schmerzstillend.

Atropin
stark giftig! Stammt aus Nachtschattengewächsen wie Tollkirsche, Stechapfel oder Engelstrompete. Medizinisch hauptsächlich verwendet in der Augenheilkunde und bei Kreislaufstillstand.

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